oder das Märchen um eine angebliche "Ur-Rasse"

Zu Beginn der Appenzeller Reinzucht wurden neben Hunden, die weitgehend wie die heutigen Appenzeller aussahen (im Körperbau entsprechend  sowie dreifarbig mit überwiegend schwarz) auch solche mit viel Weiss (breiter Halsring oder Kragen, Stiefel) eingesetzt, da die Zuchtbasis klein und das Interesse der Bauern an planmässiger Hundezucht gering war. Sicher gab es auch damals vereinzelt Hunde, die farblich keine komplett dunkle Decke hatten sondern nur einzelne Platten, diese hat man aber bewusst nicht zur Zucht herangezogen. Durch gezielte Zuchtlenkung wurde bei allen vier Sennenhunde-Rassen das heute ziemlich einheitliche Aussehen gefördert, mit dunkler Decke (beim Appenzeller schwarz oder braun) und abgegrenzten Bereichen mit roten Abzeichen (rostbraun, Brand) und weiss an Pfoten, Brust, Blässe, Schwanzspitze. Weisse Stiefel (ohne rot zwischen weis und schwarz) oder komplette breite Halsringe sind heute selten und Hunde mit Platten kommen in reinrassigen Würfen praktisch nicht vor.

Nun gibt es in der Schweiz seit kurzer Zeit Bestrebungen, den "Schilt" zu einer eigenen Rasse zu erheben. Was steckt dahinter?

Bei den Verfechtern wird behauptet, der Appenzeller sei aus dem Schilt hervorgegangen und die eigentliche "Ur-Rasse". Diese Behauptung ist jedoch nicht haltbar.

Wer sich schon einmal Gedanken darüber gemacht hat, wie Hunderassen oder "Landschläge" in relativ abgelegenenn Gebieten entstanden sind, wird sich vorstellen können, dass dort bei den Bauern keine Zucht auf Farbe betrieben wurde - vorrangig war die Eignung. So wird es auch beim Appenzeller oder Toggenburger Hund gewesen sein. Wer als Wächter und Treibhund taugte, durfte sich fortpflanzen, die andern wurden kastriert, Hündinnen wurden seltener aufgezogen, da sie während Hitze und Trächtigkeit zur Arbeit nicht zu gebrauchen waren. Die relativ einheitlichen Formen und Farben entstanden eher zufällig, weil nur die Hunde genommen wurden, die in der Nähe waren - weite Reisen wegen einem Hund? das konnte sich damals niemand leisten. In unzugänglichen Gebieten im Gebirge abseits der Hauptverkehrswege entstanden so in früheren Jahrhunderten relativ einheitliche Hundepopuationen, die manchen unserer heutigen Hunderassen als Grundlage gedient haben.

Aufgrund des einheitlichen Aussehens und der geringen Farbvariationen kann man davon ausgehen, dass man bereits lange vor der planmässigen Reinzucht relativ eng gezüchtet hat (weil keine anderen Hunde zur Verfügung standen) und sicher auch nicht scheute, einmal den Vater auf die Tochter zusetzen. Möglicherweise hat man auch bestimmte Rüden bevorzugt, die sich in der Arbeit besonders hervorgetan haben und nachfolgend auch die Farbe dieses Rüden bevorzugt, in der Hoffnung damit würde sich auch die Leistung vererben. Um die Erkenntnisse der Genetik hat sich die damalige Landbevölkerung sicher keine Gedanken gemacht.

Trotz der vermuteten Engzucht wurde durch die geforderte Leistung eine äusserst gesunde, genügsame und leistungsfähige Rassegrundlage aufgebaut. Zu dieser Zeit wurden keine Welpen aufgepäppelt, sondern nur wenige, meist starke Rüden, belassen. Fehlerhafte, kränkliche und Kümmerer wurden ausgemerzt und hatten nie Möglichkeit, sich evtl. zufällig zu vererben. Wer bei der Arbeit nichts taugte, wurde zu Hundeschmalz verarbeitet. Niemand konnte sich es damals leisten, einen unnützen Fresser zu ernähren.

Bei der Farbvererbung ist es erwiesen, dass es auf dem Genort für Weissfärbung/Scheckung verschiedene Allele gibt, die in verschiedenen Kombinationen mehr oder weniger Weiss hervorrufen. Für alle Sennenhunde typisch die sog. "Irische Scheckung" mit den fest definierten weissen Bereichen. Die Ausdehnung der weissen Areale wird noch durch zusätzliche Modifikatoren eingeschränkt oder ausgedehnt. Die Plattenbildung beruht auf einem anderen Allel und wird "Piebald" genannt, welches bei den reinrassigen Sennenhunden nicht mehr vorhanden zu sein scheint und das auch in der Ausgangspopulation sicher nur in gegringem Masse zu finden war. Sie ist jedoch typisch für eine andere Schweizer Hunderasse, den Bernhardiner.

Die Bauernhunde wurden in früheren Zeiten nicht mit speziellen Rasse-Namen bezeichnet, sondern

  • nach ihrer Herkunft (sofern dort relativ einheitliche Populationen bekannt waren)
      Appenzeller, Entlebucher, Toggenburger, Dürrbächler u.a.
  • nach ihrer Leistung -  Tryberli, Vogelhund, Bärenhund u.a.
  • nach ihrem Aussehen - Bläss, Frisch, Schilt u.a.

Was ist also ein Schilt ? nichts anderes als ein Hund weiss mit bunten Platten - über die Eignung und Herkunft sagt diese Bezeichnung überhaupt nichts aus, während die Herkunftsbezeichnung nach Region, worunter man sich bestimmtes Aussehen und Leistung vorstellt, gewissermassen schon auf Verwandschaft und quasi den Vorläufer einer Rasse schliessen lassen.

Möglicherweise waren, wie oben erwähnt, unter den ersten Appenzeller Sennenhunden noch vereinzelt Plattenhunde in den Würfen, die man jedoch ausgemerzt hat. Mit anderen Worten könnte man also sagen, "Schilt" waren die Hunde, die den Begründern der Reinzucht nicht gut genug waren für die Rasse Appenzeller Sennenhund. Die "Ur-Rasse" vor dem Appenzeller waren sie nie und nimmer.

NMBE 002 Kopie    

Den hier abgebildeten Hund (aus der Anfangszeit der Appenzeller-Zucht) könnte man auf den ersten Blick für einen "Plattenhund" (piebald) halten. Bei entsprechender Kenntnis der Farbvererbung (Quellen u.a.: C.C.Little, Sh.L.Vanderlip) ist es aber eindeutig eine ausgeprägte Irische Scheckung - also genetisch genau die Allele der Farbverteilung, die für alle Schweizer Sennenhunde typisch ist. Durch gezielte Zucht wurde im Laufe der Jahrzehnte der Weissanteil zurückgedrängt, so dass schon lange das gefärbte Haarkleid vorherrscht. Die typische Verteilung der Irischen Scheckung lässt sich aber auch heute nicht verleugnen. Es ist daher doch sehr Zweifelhaft, ob bei den Appenzellern überhaut einmal gescheckte Hunde vorgekommen sind - Aufzeichnungen darüber liegen unseres Wissens nicht vor.

In vielen Rassen kommen Schecken (piebald) vor, so dass es vermessen ist, zu behaupten, weißscheckige Hunde von mittlerer Grösse aus der Schweiz wären zwangsläufig mit dem Appenzeller verwandt oder Nachkommen einer "Ur-Rasse". So es diese gegeben hätte, wäre sie von Albert Heim sicher erwähnt worden. Es ist einfach, sich irgendwo einen buntscheckigen Hund herauszugreifen und als Rasse darzustellen, das Rätsel ist nur, was steckt wirklich drin? Natürlich können auch Appenzeller beteiligt gewesen sein, aber selbst ein Kringelschwanz ist nicht das alleinige Merkmal der Appenzeller. Wer kann ausschliessen, ob nicht etwa noch Glatthaarige Foxterrier oder Österr. Pinscher oder andere vielfarbige Rassen beteiligt waren? Warum nennen wird diese Hunde nicht einfach Senfhunde (wo alle möglichen Vorfahren ihren Senf dazu gegeben haben) ?

Es ist eine Modeerscheinung der heutigen Zeit, dass findige und geschäftstüchtige Züchter neue Designer-Rassen erfinden und da es immer Leute gibt, die alles haben wollen, was neu und ausgefallen ist, lässt sich damit sicher gutes Geld machen. Beispiele dafür gibt es genug (Labradoodle u.a.) Für mich bleiben es trotzdem schlicht und einfach Mischlinge von unbekannter Herkunft.

 

also fassen wir zusammen:

sofern es zu Beginn der Reinzucht des Appenzeller Sennenhundes vereinzelt Plattenhunde in den Würfen gab, waren diese jedoch nicht der Ursprung, sondern der Ausschuss, der ausgemerzt wurde.

in der heutigen Zeit können sich keine "Landschläge" über lange Zeit erhalten, da es keine abgeschiedenen Gegenden mehr gibt und der letzte einsame Berghof wird von Touristen und Hunden besucht. Sofern heute buntscheckige Plattenhunde in appenzellerähnlicher Form und Grösse angetroffen werden, handelt es sich höchstwahrscheinlich um Mischlinge verschiedener Rassen.

Weitere Informationen über das Thema reinrassig oder nicht finden Sie HIER

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