Geschichten aus dem Sennen-Leben und über Appenzeller Sennenhunde

verfasst von Edi Schriber

 

Vorwort

Die in den Annekdoten verwendeten Begriffe "Kuh", "Rind" oder ähnliches beziehen sich ausschliesslich auf das
typische Denkverhalten von Appenzeller Sennenhunden,

z. B. "Ist meine Herde komplett?"
"Verhält sich ein Weidetier der Regel entsprechend?"


Sie stellen keinerlei Wertschätzung oder Wertminderung von Personen dar,
sind in keiner Form kränkend zu verstehen!

Die Veröffentlichung der Erzählungen geschieht mit freundlicher Genehmigung des
Autors Eduard Schriber.

Vielen Dank, Edi!

Ursula Spiess

 

Jugenderinnerungen

 

Jugenderinnerungen
- Ramseier's Chrigu's Netteli -

Ramseier Chrigus Netteli war keine hochprämierte Zuchtkuh oder irgend ein Pferd von Persönlichkeit, nein, es war ein bescheidenes Appenzeller - Blässli ohne Stammbaum oder sonstige Auszeichnungen. Netteli war um so mehr eine so tüchtige Treiberin mit einmalig goldenem Charakter. Wenn in Thierachern, unserem damaligen Bauerndörfli, jemand von Chrigus Netteli erzählte, wussten alle, wen das anging. Ramseier Chrigu war ein sog. Wander - Küher, der nebst seinem Alpbetrieb keinen festen Talwohnsitz hatte. Solche Küher kauften in leer stehenden Scheunen das aufgestockte Heu, um es ihrem Vieh zu füttern. Dieses Heu wurde nicht etwa per Gewicht, sondern per Klafter gehandelt. Meist wurde darauf geachtet, dass es möglichst feines war; das wiegte besser und ergab dadurch mehr Futter.

Die Ramseier's waren ein bescheidenes Ehepaar und lebten ganz für ihre Tiere, die sie vorbildlich hegten und pflegten. Da war natürlich das Netteli mit einbezogen. Es war einfach eine Persönlichkeit. Wenn Chrigu am Samstag zu Fuss von der schweren Arbeit etwas nach vorn gebückt in die Metzgerei ging, um ein Stück Fleisch für den Sonntag zu holen, kaufte er immer eine Wurst für Netteli mit der Begründung, Netteli möchte am Sonntag auch etwas besseres essen. D's Müeti könne es nicht mit ansehen, wenn sie den Sonntagsbraten geniessen und s'Netteli "gluschten" müsse. Das sei ja eine kleine Gegenleistung für Nettelis Mithilfe den Sommer über.

Chrigu sömmerte den Sommer über zirka 100 Stück Vieh auf der Alp "Hungerschwand" zu hinterst im Eriz. Diese Alpenregion verbindet die Schwarzenegg mit Habkern. Jeweils um den 20. Mai morgens um 2 Uhr startete Chrigu mit seiner prächtigen Viehherde. Die Marschzeit betrug 10 Stunden. Dieses Schauspiel vergesse ich nie. Schon von weitem wurde man von den dumpfen Tönen der grossen "Zügeltreicheln" und den hell erklingenden Glocken geweckt. Dazwischen hörte man Nettelis Stimme. Es war ein besonderer Anblick, wie diese 30köpfige Viehherde sich in der dunklen Nacht im flotten Schritt bewegte. Vorab kam selbstbewusst die Leithuh "Trini". "Trini" war nicht weniger bekannt als Netteli und die Freibergerstute "Fanny", welche die ganze Zugarbeit bewältigte.

Solche zuverlässigen Leitkühe wurden mit Leckerbissen wie Brot und Äpfel so lange verwöhnt, bis sie sich die nötige Dominanz aneigneten, um eine Herde anzuführen. Die Leitkuh "Trini" macht diese Alpfahrten 16 Jahre, im Frühling als kleines Kälblein in der Kälberkiste auf dem Senntumwägeli, später zu Fuss.
Aber auch's Netteli machte diesen Weg 14 Jahre mit. Bei den letzten drei Alpfahrten durfte es zeitweise auf dem Senntumwägeli bei Frau Ramseier mitreiten, weil es sonst zu sehr ermüdet wäre. Oben auf der Alp amtete Netteli als unentbehrlicher Treibhund. Chrigu musste den ganzen Sommer nie ein Stück Vieh holen. Das erledigte Netteli mit grosser Selbstverständlichkeit. Wenn es an einem Regentag durchnässt von seiner Herdenarbeit zurückkam, war Frau Ramseier um ihre Helferin besorgt. Sie trocknete es mit einem "Schübeli" Heu ziemlich gut ab, um sich nachher an der Feuergrube zu wärmen und auszuruhen.

Im September, wenn in Thun die grossen Viehmärkte stattfanden und Chrigu sein vorigen Vieh nach Thun trieb, war Netteli natürlich mit dabei. Meistens hatten sie auf dem Rückweg das Glück, mit einem Pferdemarktfahrer ein Stück des Weges mitzureiten. So etwa Mitte Oktober am späten Nachmittag hörte man von weitem Chrigus wunderschön eingestimmtes "Chüjerglüt", welches aus der weltbekannten Glockengiesserei "Schopfer" aus dem Saanenland stammte. Die grossen Treicheln kamen den stattlichen Kühen bis auf die Knie.
Dieses Schauspiel musste man erlebt haben, wie sich diese Herde bewegte. Die "Trine" in gemächlichem Schritt selbstsicher voraus, und die übrigen Tiere in geordneter Manier hinterher. D's Netteli sichtlich ermüdet vom langen Marsch hintennach bei Chrigu, aber immer noch bereit, um da und dort zum Rechten zu sehen. Beim grossen Dorfbrunnen löschte die ganze Herde den gröbsten Durst. Chrigu liess seinen Helfern im Gasthof Löwen ein "Zvieri" servieren. So müde das Netteli war, sein schlaues Köpfchen hätte es ihm nicht zugegeben, von der Herde zu weichen. Nein, es munterte die Tiere auf, wieder weiter zu ziehen. Mutterseelenallein begleitete es seine Schützlinge dem nahenden Ziel entgegen. Ja, aus lauter Zusammengehörigkeitsgefühl trottete das treue Fanny mit dem Senntumwägeli hintennach. Wie eng die Beziehung zwischen Chrigu und Netteli war bewies, dass es den Winter über alle Tage mit seinem Meister auf dem Milchwägeli in die Kaserei fahren durfte. Es durfte sogar auf diese Weise ins 25km entfernte Rüschegg zu einem bekannten, gleichwertigen Rüden (= ohne Stammbaum) fahren, um Hochzeit zu feiern. Absatzschwierigkeiten für Nettelis Nachkommenschaft kannte Chrigu nicht.
Wieviele Söhne und Töchter von Netteli nach seinem Tod ihr goldenes Erbgut weiter vererbten, weiss ich nicht.
Jedenfalls, mein erster Bläss, den ich mir im Jahre 1938 für einen Fünfliber gekauft habe, war ebenfalls eine Tochter von Netteli und trug natürlich auch den Namen "Netteli".

Mit dieser Hündin, wie mit vielen anderen habe ich über die vielen Jahre so schöne Episoden erlebt, dass ich mich nie von dieser Rasse trennen könnte.
So hat meine Appenzellerzucht angefangen - im Jahr 1938.

Oktober 1986 Edi Schriber

 

Warum einen Blässu

 

Warum einen Blässu?

Meine lieben Clubkameraden vom Vorstand und Zuchtkommission,

der Zwinger vom Bärgfrüehlig ist in Hündelerkreisen bekannt als eine gut geführte Zuchtstätte. Gemeinsam mit meiner herzallerliebsten Regina erfreuen wir uns über die jeweiligen Zuchterfolge. Die grosse Liebe zur Kreatur legte mir offenbar der Storch in die Wiege. Warum gerade einen Appenzeller: Weil diese Rasse zu meiner fröhlichen, ich möchte fast sagen Lausbubenart, begleitet von gelegentlichen Flausen am besten passt. Schon als kleiner Knirps hatte ich eine grosse Liebe zum Blässu - wie man ihn etwa in unserer Gegend benennt.
Im Jahre 1938 wurde mein Kindertraum Tatsache. In der gleichen Schachtel, in welcher ich einen Kaninchenbock an seinen neuen Bestimmungsort veräusserte, brachte ich meine erste 8 Wochen alte Appenzellerin nach Hause. Natürlich ohne Stammbaum - nicht gerade zur grossen Freude meiner Verdingeltern. Ich bin nämlich schon von 10 Monaten an als Verdingbub aufgewachsen. Meine lebhafte Kinderzeit wurde des öfteren von Körperstrafen begleitet. (typisch Verdingbub).
Im Jahre 1950 kaufte ich die erste Hündin mit Stammbaum, "Netti vom Bruch". Die Netti führte das bekannte Kirchdorferblut. In all den vielen Jahren habe ich mit dem Bläss so viele unvergessliche Erlebnisse gehabt, dass ich mich von dieser Rasse nie trennen könnte.
Sechs mal habe ich die Bärgfrüehligzucht neu angefangen. Schon dies beweist die grosse Liebe zu dieser schönen Rasse. Mit einem gewissen Stolz darf ich unterbreiten, dass ich nebst den vielen Zuchthündinnen auch über 40 Zuchtrüden gezüchtet habe, welche im In - und Ausland ihre Zuchtleistungen erbrachten.
Der HD schenkte ich schon im Jahre 1960 volle Aufmerksamkeit. In unserer Zuchtstätte war bis heute eine einzige Hündin, welche durch einen Unfall mit HD belastet war. Es war die wunderschöne Flüehblüemli vom Bärgfrüehlig. Sie war die Mutter etlicher bekannter Nachkommen.
Nicht nur in meiner Bärgfrüehlingzucht erlebte ich Glanzzeiten, sondern auch im Appenzeller - Club, in dem ich seit 1958 aktives Mitglied bin, habe ich unzählige wunderschöne Momente erlebt.

Gerzensee, Dezember 1992 Edi Schriber

 

Rütliwanderung 1991

 

700 Jahr Feier der Wander- und Pferdefreunde Wichtrach
Rütliwanderung 1991

Vor einem Jahr gelangte Herr Othmar Frei aus Wichtrach, ein begeisterter Wanderer und Freund der Folkore mit dem Wunsch an mich, die besagte Wandergruppe mit Pferd und Wagen bis nach Brunnen zu begleiten. Mein erster Gedanke war: Propaganda für die Haflinger - und sagte sofort zu.

Für die 20köpfige Gruppe benötigten wir 2 Gespanne. Der erste Wagen für das Material und der zweite für evtl. Wanderpatienten oder bei Gewittereinbrüchen. Die Mittagsrast war im Freien geplant, so dass der Materialwagen auf ein ansehnliches Bruttogewicht von 1500 kg kam. Gestützt auf die langen Alpenübergänge, brauchte es für diesen Wagen fünf Pferdestärken: Nebst meinen drei Wallachen, Sorell - 5 Jahre, Nestor - 8 Jahre und Aalik - 6 Jahre , gesellten sich der Norter - Sohn Sonny-Boy - 9 Jahre, im Besitz von Daniel Steiner aus Schönbühl zu uns, der in allen Sparten behilflich war. (Futter und Pferdetransporte gratis) Der fünfte war der bildschöne Alex - 4 Jahre, ein Antriebsohn im Besitze von Margit Wittwer, vom Trub, welche als begeisterte Fahrgehilfin die ganze Reise mitmachte. Mit ihrer fröhlichen Art war sie der Sonnenschein der ganzen Gesellschaft. Ihr herzhaftes Lachen mahnte einem an das Markenzeichen von Lilo Pulver.
Als zweiter Fuhrmann konnte der vollbärtige Kurt Müller von Zwieselberg engagiert werden, mit seiner Natscha - 4 Jahre alt einer Naron - Tochter und der Natalia - 5 Jahre einer Natan - Tochter von Fritz Schneeberger aus Gerzensee.
Vier mal reisten wir in die Innerschweiz, um die Unterkünfte für die Gruppe und Pferde sicher zu stellen.
Othmar Frei's grosser Bekanntenkreis unter Jodlern und Alphornbläsern kam uns kam uns in dieser Hinsicht zugute. Dank zahlreichen Sponsorenbeiträgen und der gut vorbereiteten Organisation konnte die grosse Reise auf den 30. Mai verwirklicht werden

Am genannten Morgen um 6 Uhr spannten wir die gut trainierten Haflinger an, um zum Schulhausplatz Wichtrach zu fahren, welcher von vielen Zuschauer umsäumt war die uns die Startehre gaben. Nachdem der reich aufgefüllte Materialwagen beladen war und ich den Fünferzug mit "zäme Giele hü" zum Start aufmunterte, legten sich die fünf Haflinger gemeinsam in die Zugstränge, um in 9 Tagesetappen das Reiseziel zu erreichen. Überall wünschten uns die Dorfbewohner gute Fahrt oder winkten uns zu, bis sie uns aus dem Blickfeld verloren. Ein beglückendes Gefühl war es schon, ein so prächtiges Haflingergespann durch 6 Kantone zu kutschieren.
Schon bei der ersten Mittagsrast zeigte es sich, dass ein tüchtiger Koch in der Wandergruppe mitmarschierte und uns unter Mithilfe einiger Wanderfrauen alle Tage auf das beste verwähnte.
Das erste Tagesziel führte über den Buchhoterberg um Rorimoosbad. Die Pferde konnten im nahen Reitstall untergebracht werden.
Der zweite Tag führte über den Schallenberg Richtung Schangnau mit Ziel im Bumbach. Im Hotel "Alpenrose" wurden wir liebevoll empfangen und währschaft verköstigt wie dies in Bombach so üblich ist. Die Pferde logierten in einem leeren Kuhstall. Zwei achtzehnjährige Mitfahrer offerierten sich als Stallwache.
Lieber Peter und Christoph - danke schön für Euren unermüdlichen Einsatz. Noch am gleichen Abend wurden die beiden Wagen auf einen Lastenzug gehievt, um am nächsten Morgen von Oberli Hansruedi über Wiggen, Sörenberg, auf das Salwideli zu fahren. Im Bumbach wurden wir schon von den ersten Haflingerfreunden aufgesucht und begrüsst.
Der dritte Wandertag war für uns alle eine Prüfung in Bezug auf Ausdauer und Kameradschaft, was auf der ganzen Reise oberstes Gebot war. Morgens um 7 Ur wurde dam Sonny-Boy, der Sorell und dem Alex die Bestsättel aufgelegt, um nebst dem Heu und Kurzfutter, allerhand Gerätschaften aufzubinden. Andrè Jordi ebenfalls ein Mitfahrer und Train - Soldat übernahm die Verantwortung für dieses Metier. Der feurige Nestor wurde gesattelt für die linke Margrit und der Aslik ohne Sattel abwechslungsweise für die beiden Jünglinge. Die beiden Stuten zogen je einen Zweiräderkarren. So, nun gings los, in Säumerformation das steile Schneebergli hinauf zu dem bekannten Salwideli zu. Gefordert aber glücklich kamen wir oben an. Eine Aussicht wie im Bilderbuch.
In liebenswerter Weise liess Nationalrat Theo Schnider für uns eine geeignete Feuerstelle mit den nötigen Sitzgelegenheiten erreichten. Mit träfen Worten und grosser Anerkennung würdigte er unser Unterfangen. Auch für die Haflinger hatte er ein freundliches Wort übrig. Nach der gemütlichen Mittagspause fuhren wir fünf - und zweispännig die steile, kurvenreiche Strasse gegen Sörenberg hinunter. Die Wandergruppe wählte ihre geplanten Seitenpfade. In Sörenberg wurden wir persönlich vom Kurdirektor Theo Schnider jun. empfangen. Er war auch für die feudale Unterkunft und Verköstigung besorgt. Die Pferde konnten etwas oberhalb Sörenberg in Militärstallungen einquartiert werden. Das war auch ein Verdienst von Nationalrat Theo Schnider.
Am Sonntag dem 2. Juni war Ruhetag, umso mehr pflegte man bei dem Essen (Spiessli vom Grill) und süffigem Wein die Kameradschaft. Haflingerzüchter aus der Thuner und Mittellandgenossenschaft beehrten uns und unsere Blondschöpfe mit ihrem Besuch.
Nach dem herrlichen Sonntag folgte ein strenger Montag, der sich wettermässig nicht gerade von der besten Seite zeigte. Bei strömendem Regen mussten wir die Panoramahöhe in Angriff nehmen. Wir Fuhrleute wurden auf eine ziemliche Probe gestellt, galt es doch einige Viehröste zu umfahren, was mit dem Fünferzug ein richtiges Spiel war. Solche und ähnliche Zugpässe erlebten wir am selben Tag noch öfters. Oben auf der Passhöhe vermischte sich der Regen mit Schnee. Wahrlich kein einladendes Bild. Halb durchnässt erreichten wir die Möörlialp, wo der Mittagshalt stattfand.
Die fachmännisch zubereiteten Älplermakkaroni und die warmen Getränke, sowie die melodiösen Jodelvorträge von Ruth Rymann und Ernst Jakober liessen unsere etwas angeschlagene Moral wieder aufleben. Der dieses herrlichen Menüs war nicht unser Bruno, sondern Ch. Zumstein, Bahnhofwirt von Giswil. Von der Möörlialp führte uns die steile Strasse in vielen Windungen nach Giswil. Trotz Vollbremsung mussten die Deichselpferde öfters zum Rückhalten angehalten werden. Am Abend waren wir müde, aber zufrieden in Giswil angekommen. Die schon eingetroffene Wandergruppe beglückwünschte uns für das fahrerische Können. Für diese Nacht waren wir Gäste bei Ch. Zumstein. Die Pferde mussten unter einem Vordach mit Naturboden ohne Streue Vorlieb nehmen. Das war kein Dankeschön für ihre enorme Tagesleistung. Aber es ging einfach nicht anders. Giswil war überhaupt nicht pferdefreundlich eingestellt.
Der 6. Reisetag: Damit wir dem Verkehr ausweichen konnten, wählten wir die Route über Wilen mit Mittagspause in Sarnen, erreichten am späteren Nachmittag die Ortschaft Sand, unser Tagesziel. Nicht nur Wanderer und Fuhrleute waren im Hotel Sand gut aufgehoben, sondern auch die Pferde hatten ein würdiges Nachtlager. In einem Bauernhaus bei pferdefreundlichen Leuten konnten sie in einem leeren Kuhstall mit reichlicher Einstreu richtig ausruhen. Die gütige Frau Waser machte für uns drei Zimmer zurecht, welche sonst von ihren Töchtern bewohnt sind.
Am 7. Tag hatten wir die Gelegenheit über den einigartig schönen Allweg mit Zwischenhalt in Stans zufahren. Ein guter Dienstkamerad von Othmar Frei veranlasste durch Gemeindearbeiter eine tadellose Feuerstelle und eine stabile Anbindevorrichtung zu erstellen. Zum Dank waren sie alle zu einem herrlichen Fondue eingeladen mit einem Tropfen vom Besseren. Frisch gestärkt wählten wir die Weiterfahrt auf Nebenstrassen, durch heimelige Dörfer und hübsche Landschaften gegen Buochs zu. Bei der gastfreundlichen Kronen - Wirtin Frau Bamert durften wir Logis beziehen. Auch unsere weissmähnigen Freunde hatten nichts zu klagen. Das Ehepaar Emil und Beatrice Polenz, selbst eifrige Hypolgen, waren besorgt um unsere Zugkräfte, sie stifteten aus Freude an unserer Sache die ganze Fourrage. Nach einem Abendessen besuchten uns Innerschweizer Haflingerzüchter in den Personen: Ehepaar Jenni mit einer Freundin und Frau Küsel. Mit schönen Jodelliedern und dem fröhlichen Halingerliedeli verschönerten sie uns den Abend.
Der 8. Tag bleibt sicher unvergesslich. Fünf - und zweispännig fuhren wir in Beckenried auf die Autofähre, um auf dem Seeweg Gersau zu erreichen. Damit sich die Pferde auf der Fähre ruhig verhielten, wurden sie von allen Seiten liebkost und mit Leckerbissen verwöhnt. Für alle Fälle gewappnet zu sein, begleitete uns das Ehepaar Polenz auf dem Seeweg. Von Gersau ging es in zügigen Schritten Brunnen zu. Überall sind wir mit grossem Applaus empfangen worden, dem war aber in Brunnen nicht so. Mit grossem Empfang und Ansprache durch die Gemeindebehörde unten an der Schiffstation war lauter nichts, einfach vergessen. Auch von der versprochenen Gratis - Schifffahrt zum Rütli wollte auch niemand etwas wissen. Dafür war das Ehepaar Geisseler, Hotel Alpina für unser Wohl besorgt. Bei ihnen fühlten wir uns wie zu Hause. Grosszügig stellte Herr Karl Grau, ebenfalls stolzer Haflingerbesitzer, für unsere Pferde seinen Pferdestall samt Heu und Stroh zur Verfügung.
Am 9. Tag pilgerten ausser Margrit, meiner Frau und mir (Stallwache und Geschirre aufpolieren) die ganze Gesellschaft mit dem Schiff zu einer schlichten Feier aufs Rütli.
Am selben Abend überraschten uns drei Innerschweizer Jodlerinnen in ihrer schmucken Tracht und brachten mit ihren Darbietungen so richtig Stimmung in die Gesellschaft.
Am 10. Tag, dem 8. Juni, traten wir bei unfreundlichem Wetter die Heimreise an. Aus Sympathie zu unserem Unterfangen begleitete uns Karl Grau mit seinem Haflingergespann bis zur Autofähre. Auf dem Fährplatz empfingen uns Emil und Beatrice Polenze wieder, um uns zu dem Wasserweg nach Beckenried zu begleiten. Frau Ploenz war von dem Fünfspänner so begeistert, dass sie bis nach Sand mitzufahren wünschte. Für die Pferde war der Sonntag wieder einmall eine Probe der Ausdauer, nämlich der Brünig stand auf dem Plan. Das war ein lang gehegter Wunsch von mir, einmal mit einem Fünfspänner über den Brünig zu fahren.
Morgens um 8 Uhr starteten wir Richtung Kerns, Giswil. Trotz des starken Verkehrs marschierten die beiden Gespanne ruhig. Nach Giswil hiess es für die Pferde, sich gehörig in die Stränge zu legen, da die Strasse bis nach Lungern ziemlich Steigung hat. Oberhalb Lungern legten wir einen längeren Mittagshalt ein. Arnold Ming, ebenfalls ein Jodlerfreund von Othmar Frei, hatte für uns in einer heimeligen Waldlichtung die Feuerstelle schon einsatzbereit. Während des Essens erfreute er uns im Duett mit Jodelklängen, nach dem Essen richtete der Gemeindepräsident von Lungern, Herr Walter Zumstein, einige anerkennende Worte an uns und wünschte für die restliche Heimfahrt alles Gute. Für eine Überraschung sorgte Familie Jaussi, Haflingerzüchter aus Erlenbach. Sie erfreuen uns mit ihrem Besuch.
Am späteren Nachmittag, als der grösste Verkehrsstrom zunahm, machten wir uns auf den Weg, um die Passhöhe zu erreichen. Im Motel war genügend Übernachtungsmöglichkeit. Da für die Pferde in der Nähe keine geeignete Unterkunft zu finden war, mussten sie in einer Waldlichtung unter freiem Himmel die Nacht verbringen. Dies wäre noch alles gut und recht gewesen, hätte nicht ein kalter Regen eingesetzt, welcher bis am Montagorgen andauerte und auf die armen Pferde herniederprasselte. Zum Glück überlebten sie diese unfreundliche Nacht ohne jeglichen Schaden.
Am Montagmorgen, dem 10. Juni, spannten wir zur letzten Tagesetappe an. Mit leichter Wehmut im Herzen tönte das, "zäme Giele hü" zum letzten Start. Mit forschem Hufschlag verliessen die beiden Gespanne die Brünig - Passhöhe, um gegen Mittag über Hofstetten, Brienzwiler, den Bahnhof Brienz zu erreichen. Gestützt auf die miserable Nacht, welche die Pferde durchmachten, verladeten wir bis nach `Hause und nicht wie geplant nur bis Thun, um in der gleichen Formation in Wichtrach anzukommmen, wie wir gestartet sind.
Erneut haben mich die Haflinger auf der langen Fahrt fasziniert, zu was für Leistungen sie im Stande sind - und dies bei bescheidenem Futteraufwand:
pro Pferd und Tag = 5 - 6 kg Heu und 2 - 3 kg Kurzfutter (Melior und UFA)
Abschliessend möchte ich dem Initianten Othmar Frei für die gut gelungene Wanderfahrt herzlich danken. Ohne seine Wanderfreude mit Neigung zu Folklore wären wir anderen nie zu einem so unvergesslichen Erlebnis gekommen. Ich möchte aber auch allen anderen Personen herzlich danken, die zum guten gelingen beitrugen, sei im Umgang mit den Pferden oder deren Heimtransport.

Edi Schriber

 

Liebesbrief

 

Liebesbrief von Iris

Lieber Rex,
Du warst an der BEA ein sooooo lieber und sehr anständiger Kamerad zu mir gewesen, dass ich eigentlich mein Herz an Dich verloren habe. Jedesmal wenn sich unsere Augenpaare trafen, bekam ich ein verlangen nah Zärtlichkeiten. Ich hätte Dir das am liebsten schon an der BEA ins Ohr geflüstert. Aber mein Liebster, da ich noch eine junge unerfahrene Hundedame bin, und bis anhin keinerlei Hundemänner - Freundschaften pflegte, bin ich natürlich voller Hemmungen. Ich habe lange überlegt mit was ich Dir meine grosse Sympathie kund tun könnte.
Dass Du die Ausstellung in Langenthal besuchen wirst, ist meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen. Dass ein so hübscher Hundejüngling wie Du, sich an einer Ausstellung möglichst rassetypisch zeigen muss, ist Dir sicher von Deinen Betreuern schon unterbreitet worden. Damit Du an Ausstellungen ein ganz schöner bist, möchte ich Dir dieses, für die Appenzeller, so originelle Halsband schenken. Ich hoffe, dass ich Dir mit diesem Präsent Freude bereite.
Lieber Rex, zeig Dich an der Ausstellung in Langenthal von der besten Seite. Edi hat als Richter ein scharfes Auge, dem entgeht nichts. Mit der Rutenhaltung musst Du Dir grosse Mühe geben. Weisst mein Lieber, die typische Ringelrute ist bei uns Appenzeller das Markenzeichen. Noch auf eins möchte ich Dich aufmerksam machen, wenn Deine Mami sich mit dem neuen Halsband nähert, um es Dir anzuziehen, kannst sicher sein, dass eine Hundeausstellung in der Luft hängt.
Ich werde in nächster Zeit nicht gerade glücklich gestimmt sein. Nämlich Edi und Regina, meine beiden Betreuer, treten mit ihren "Blondschöpfen" (Haflinger) eine grosse Reise an. Sie haben mir da was von 700 Jahrfeier, Rütli und Eidgenossenschaft vorgeschwafelt.
Aber das interessiert unsereins doch gar nicht. Ein saftiges Hammenbein macht uns mehr Freude, gell. Zum Glück kommt die Grosi, dass ich nicht ganz alleine bin.
So mein Lieber, nun habe ich Dir meine Herzensgefühle ausgeplaudert. Aber manchmal habe ich richtig Sehnsucht nach Dir. Da wird es mir irgendwie ganz artig ums Herz. Ich hoffe, dass Du meine Liebesgefühle, die ich für Dich empfinde nicht allzusehr in Deiner nachbarlichen Hundewelt ausplauderst. Das at keine Hundedame von adeliger Abstammung gerne, wenn ihre Gefühle sich in er öffentlichen Hundewelt herumsprechen. Da wird man sofort als Flittchen abgestempelt. Vielleicht solls der Zufall, dass wir später sogar innige Hochzeit feiern. Ausser der Rutenhaltung gefällst Du mir ganz gut.
Ich möchte mein Geschreibsel nicht abbrechen, ohne Dir ans Herz zu legen, Deinem Betreuer viel Freude zu machen und im treiben (unser angestammter Beruf) Dir viel Mühe zu geben, damit Du ein tüchtiger und brauchbarer Appenzeller wirst und für unsere Rasse wirbst. Vor allem möchte ich Dir raten, Pfoten weg von diesen Hundeweibern, welche kein "von" vor dem Namen haben. Das sind alles Dreckbiester, die sich jedem Strassenköter an die Brust werfen und ihnen Liebe vorgaukeln.
Du würdest mir leid tun, wenn ich vernehmen müsste, dass Du für unschuldige Vaterschaften aufkommen müsstest.
In mir würde eine Welt zusammenbrechen, wenn ich nicht mehr in Ahtung an Dich hinaufblicken könnte.
Mein Allerliebster, ich hoffe dass ich Dir auch nicht ganz gleichgültig bin. Es würde mich traumhaft glücklich machen, wenn Dein Herz auch für mich schlagen würde. Mein lieber Schatz, in Gedanken bin ich immer bei Dir.

Herzliche Grüsse und viele zarte Küssli,
Deine Schnauze Iris vom Schneitenberg

Thalgut, im Mai 1991

 

Hochzeitsferien

 

... Hochzeitsferien ...
Appizäller - Sennehund vo dr Goldküste im Bärnbiet i de Hochzitferie

Darf i mi vorstelle: I bi dr Dior vo Aiar u wohne due i bi dr Familie Blattmann im Forbüel, Zütikon. I de Ferie bini bim Edi Schriber in Gerzensee. Wie obe scho ärwähnt bini eigentlich zum Hochzyt fijre da härecho. Nach zäh Minute hami dr Edy scho i mis Härz geschlosse gha. Zwüsche üs zöine hetsech a tiefi Fründschaft ergäh.
O am Edy si Goldschatz, d Iris, isch so verknallt i mi gsi, dassi grad mit mir innegi Liebi gemacht het. Mit dr Zyt isches publik worde, dass sone schöne Appizällermaa liebesbedürftegi Hundfrouneli tüi beglücke. Allbot het dr Edy äs Telefon usgrichdet, äs sig de a Hundedame im Azug für mi cho zbesueche.
Das hani besser ghört, weder wemer Edy het wöue wis mache Katze laime i Rueh. Wemi Edy nid immer hätti a dr Leine gha, wärs de Katze grusig a Chrage gange, u de Hüehner wär zgaggle allwäg o vergange. Aus Stadtgiu fägt das natürlich scho ufemme Burehof Ferie zmache. Da hets gnue Vieche wo mi i Jagdpassion versetzt. Dr Edy het äxtra wäge mir a 10m längi Zugleine kouft, dass weni Leinezwang ha glich no chli Freiheit ha. Bi de Stallarbeit hani ou atz Kötteli müess, süsch hätti am Edy siner Haflinger no i Knüpfe uwche sprängt. We d Iris, Edy u i am Abe ga ga Milch hole im Nachbar - Burehus, rennt dr Hofhund Lucie vor Angst uf d Loube ueche um vo dert obe dumme Latz zha. Edy hetmer du gseit, i söll die links la liege, die heigi kei Verständniss zu Hundemänner. Jede freie Momänt geit dr Edy mit üs i Wald ufe. Das fägt natürlich we Iris u i so richtig cheu umefrese. S isch fuet dass i däm Wald keiner Rehli u Hase het, süsch chonnti für nüt garantiere.
Letsachthin isch zBränderli vom Bärgfrüehlig bi mir gsi, fürnes Freudeli zärläbe. Das isch a chli es Glittchen. Die het scho bi drei andere Hundemänner Liebi macht u Jung hets keiner gä. I hamer du ärgötzleche Müi gä, nit dassi nachär cha ga braschauere, ig heigeres zweni guet macht.
Diane vo dr Kathrin Stalder hetmer zerst tür u heilig versprche si heigi mit gärn, später hetzemer du glich a Korb gä u hetmi ufe Summer vertröstet.
Aber eis amane Abe wo dr Edy siner Rössli bsorgt het, hani du glich d Diana chönne überree öbmer anander nid grad einisch wölle lieb ha. Diana isch du rätig worde: a mänt, dr Edy brucht nit als zgezeh.

Edi Schriber

 

Liebesleben der Hunde

 

Das Liebesleben der Hunde

Wie jede andere Tierart ihr Liebesleben pflegt, haben auch die Hunde auf die Fortpflanzung ihr Anrecht. Die Junghündin kommt meistens so mit 7 - 8 Monaten das erste Mal in die Hitze. Die Blutung ist das erste mal ziemlich stark. Vor der Hitze findet meistens eine totale Härung statt. Die Hündin zeigt schon etliche Zeit vor ihrer Läufigkeit psychisch eine gewisse Veränderung. Bei den Appenzellern zeigt sich diese in seiner pfiffigen Fröhlichkeit. Sie sind zu allerlei Schabernack aufgelegt. Sie möchten bei ihrem Betreuer noch mehr im Mittelpunkt sein. Wenn sie Rüden begegnen, taucht ein feines Flirten auf. Sie mögen sogar mit den Rüden spielen. Der Wachtrieb wird aufmerksamer. In dieser Zeitspanne werden die Eierstöcke aktiv, der sog. Östrogenspiegel entwickelt sich. Der liebesbereiten Hündin wird die Scheide allmählich prall und sie verliert bald darauf die ersten Bluttropfen. Jetzt ist die Zeit angerückt, wo man über ihre Hitze die Kontrolle hat. Es gibt Hündinnen die mit sich selber so peinlich sauber sind und in den ersten 2 - 3 Tagen ihre Scheidengegend mit vermehrtem Lecken sauber halten und dadurch das Anfangsstadium der Hitze vertuschen können. Von nun an muss die Hündin gut bewacht werden, dass ja kein liebestoller Hundeherr auf sein vermeintliches Recht kommt.
In der Rassehundezucht gibt es nichts schlimmeres, als wenn eine Hündin ungewollt fremd geht! Es ist nicht ratsam nach einer illegalen Deckung die Hündin vom Tierarzt spritzen zu lassen, um den ungewollten Sperma zu vernichten. Unfruchtbarkeit oder andere Gebärmutterleiden sind nachfolgend nicht auszuschliessen. Es ist tragisch, eine wertvolle Zuchthündin dadurch zu verlieren!
Die Blutung einer hitzigen Hündin ist im Anfangsstadium ziemlich dunkel. Erst zur Zeit des Eisprungs wird die Blutung leicht heller und wässriger. Das ist das Zeichen, dass der Eisprung im kommen ist. Mit anderen Worten: Die Hündin möchte sich jetzt mit einem Liebhaber vereinigen. Aber auch die Rüden zeigen das bevorstehende Hochzeitsfest an, und zwar in der Folge, dass sie die Hündin dauernd besuchen möchten. In ihrem Wahn heben sie in nächster Nähe der hitzigen Hündin öfters das Bein, um so ihr Image zu hinterlassen. Es kann vorkommen, dass sie aus Enttäuschung an Hausfassaden oder Türrahmen Schaden anrichten. Mir sind auf diese Weise 6 Schuhe gestohlen worden.
Zum geplanten Deckakt: Der besagte Eisprung ist bei den Hündinnen sehr unterschiedlich. Bei der einen ist er schon am 6., bei anderen wiederum erst am 11. - 15. oder sogar erst am 19. Tag. Der beste Beweis, dass die Hündin deckbereit ist, ist wenn fremde Rüden mit ihren Besuchen aufwarten.
Eine Begegnung mit dem in Frage kommenden Rüden ist sehr unterschiedlich. Die Sympathie spielt in der Hundeliebe eine gewichtige Rolle. Die einen Hündinnen müssen sich erst mit der neuen Gegend vertraut machen, andere wiederum vereinigen sich spontan mit ihrem Liebhaber. Vielmal kommt es auf den Rüden an. Allzu stürmische Verehrer verschrecken oft gerade junge Hündinnen, die Partner sollten einander in versäubertem Zustand vorgestellt werden.
Zum eigentlichen Deckakt, der für uns Menschen eher kompliziert aussieht: Die liebende Hündin senkt sich in der Rückenpartie um dem Rüden die empfängliche Scheide besser zu präsentieren. Die Rute wird zur Seite gehoben, um dem Rüden das eindringen zu erleichtern. Der deckbereite Rüde kann somit mit seinem Freudensprender in die Hündin einfahren. Kurz danach schwillt beim Rüden der sog. Schwellkopf zu einer ansehnlichen Grösse an, so dass er in den nächsten 15 - 20 Minuten so verharrt, um sein Sperma in Richtung Gebärmutter zu spritzen. Gleichzeitig schliesst die Hündin den Scheidenkranz, um den Rüden möglichst lang in sich zu halten.
Da der Hund im Gegensatz zum Pferd eher eine schwache Rückenmuskulatur hat, ist es verständlich, dass sich der Rüde nach kurzer Zeit abwendet und den Deckakt Fudi an Fudi weiterführt. Auch die Hündin zeigt während dem Deckakt ihre Höhepunkte an. Jedesmal, wenn sie die Rute leicht anhebt, erlebt sie einen Hochgenuss. Es ist von Vorteil, wenn die Hündin nach dem Deckakt sofort einige Schritte laufen kann, dass sich der ganze Geschlechtsbereich wieder normalisieren kann.
Wenn ein Rüde eher wenig zum Züchten gebraucht wird, ist es gut, mit der Hündin den Rüden ein zweites mal zu besuchen. Es ist nämlich möglich, dass der Rüde beim ersten Deckakt allzu sehr gereizt ist und sich dadurch der Samenerguss verkrampft. Die Samenleiter verengen sich, was die Samendurchlässigkeit beeinträchtigt. Ein solcher Rüde wird beim zweiten Deckakt viel kräftiger absamen. Wenn die Hündin weit weg vom Rüden wohnt, ist es von Vorteil, die erste Deckung am Morgen zu tätigen und die zweite am Nachmittag. Auf diese Weise ist eine erfolgreiche Befruchtung ziemlich sicher.
Nicht immer geht die Deckung nach Wunsch!
Wenn eine Hündin den Rüden zum Spielen annimmt, doch wenn der Rüde versucht aufzusteigen, ihn abweist, ist der Zeitpunkt des Deckens 1 - 3 Tage zu früh. Anders ist es, wenn die Hündin schon bei der Begegnung mit dem Rüden ihn energisch abbeisst, ist es zu spät. Eine Hormonspritze hat meistens keinen Erfolg. Höchstenfalls wird der ganze Geschlechtsapparat empfindlich gestört. Es gibt Hündinnen, welche von Natur aus einen zu tiefen Rutenansatz haben. Solche Hündinnen machen dem Rüden öfters Mühe mit dem Penis in die Scheide einzudringen, weil durch die besagte tiefe Rutenhaltung der ganze After leicht nach unten verlagert ist. Wenn solche Hündinnen fett werden, ist für den Rüden eine Begattung ohne menschliche Hilfe nicht möglich. In Extremfällen kommt nur eine künstliche Besamung in Frage, was beim Hund kein Kunstwerk ist. Die Erfolgsquote liegt bei 50%. Überfette Hündinnen neigen öfters zu Unfruchtbarkeit.
Diese Zeilen sind aus meiner jahrelangen Erfahrung zitiert.

Eduard Schriber

 

von Herdenhunden

 

Wie komme ich zu einem guten Herdenhund?

Erste Voraussetzung dazu ist natürlich, dass ich einen Junghund kaufe, dem das Viehtreiben "im Blut liegt", z. B. einen jungen Appenzeller Sennenhund, d. h. eine Rasse, die bereits jahrhundertelange Herdenhundearbeit hinter sich hat. Trotzdem kommt es aber noch darauf an, dass sich die Elterntiere ihrerseits als "Meister im Fach" erweisen, diese erbliche Veranlagung möglichst stark auf ihren Nachwuchs übertragen. Damit dies zutrifft, hat sich der Schweizerische Club für Appenzeller Sennenhunde die Aufgabe gestellt die Treibveranlagung durch Zuchtwahl so zu festigen, oder wenn nötig zu verbessern, dass unsere Hunde wenn möglich, immer die gestellten Ansprüche in höchstem Masse erfüllen. Hierzu werden einerseits die Ergebnisse der jährlich durchgeführten Herdenhundeprüfungen, anderseits die Leistungen der Nachkommenschaft verfolgt und züchterisch ausgewertet. Die zweite Voraussetzung ist also, dass ein junger Appenzeller Sennenhund mit Stammbaum aus einer erprobten Zucht, wirklich am meisten Gewähr bietet ein Treibhund zu werden, den Sie sich wünschen.
Nun ist aber noch nie ein Gelehrter vom Himmel gefallen, und so geht's auch unseren Sennenhunden. Sie werden immer das, was wir aus ihnen machen, und damit dies möglichst gut wird, geben wir Ihnen nachstehend einige Winks dazu.

Grundbedingung für jeglichen Erfolg, ist ein absolutes Vertrauensverhältnis zwischen Meister und Hund. Erst wenn dies erreicht ist, kann mit dem Abrichten begonnen werden. Wie dies übrigens auch bei anderen der Fall sein sollte, muss zuerst unbedingte Folgsamkeit in jeder Hinsicht erreicht werden, denn nur so ist es möglich, allenfalls aufkommende schlechte Gewohnheiten sofort im Keim zu ersticken. Später können diese nur mit Mühe, und evtl. sogar nur unvollständig beseitigt werden.

Das erste für ein einwandfreies Treiben unerlässliche Gebot ist ein tadelloses Stechen, weshalb dieses, ebenso wie die Folgsamkeit, vor irgendwelcher Treibtätigkeit gelernt werden muss! Das richtige tiefe und etwas seitliche Stechen ist auch deshalb wichtig, weil der Hund, wenn er zu hoch und direkt von hinten anfasst, keine Zeit hat, dem nachfolgenden Hufschlag auszuweichen. Ist er einmal getroffen worden, kann es sein, dass er das Stechen überhaupt aufgibt und dazu neigt, am Kopf anzugreifen, was unerwünscht ist. Gute Voraussetzungen für das besagte richtige Stechen werden dadurch geschaffen, dass der Meister einen Holzrechen, oder Kinder einen Besen am Boden nachschleppen, wodurch das Hündchen zum Zupacken in Bodennähe angeregt wird. Mit entsprechenden Schlagbewegungen gegen ihn, lernt man ihm gleichzeitig, dem erwähnten Hufschlag geschickt zu vermeiden.
Ist dies erreicht, beginnt man mit der Abrichtung am Tier, zuerst vielleicht mit einem Mutterschwein, da diese Tiere nicht schlagen, oder aber mit einem ruhigen Kälblein, das vom Meister geführt wird, evtl. auch mit einer ruhigen Kuh. Hier ist es nun aber ganz besonders wichtig, dass der Hund von Anfang an richtig und am richtigen Ort zufasst. Wir zeigen ihm das, indem wir mit dem ihm bekannten Besen immer wieder die Fessel des "Versuchstieres" berühren und ihn ermuntern, bis der Hund tatsächlich begriffen hat, dass er nur da stechen darf. Oft braucht es viel Geduld bis es so weit ist, aber es muss unbedingt so lange geübt werden, denn damit haben wir dann die Hauptsache bereits hinter uns. Das jahrelange gute Treiben des Hundes belohnt uns für die Mühe.
Erst jetzt darf unser Treibhund - Lehrling zur freien Herde (zuerst vielleicht nur Rinder) mitgenommen werden. Hier kommt es nun in erster Linie auf die Folgsamkeit an, da unsere temperamentvollen Appenzeller am Anfang meistens mit etwas zu viel Jugendfeuer dreinfahren, und deshalb ein wenig abgebremst werden müssen! Der Meister darf den Kontakt mit dem Hund ja nie verlieren, und lässt ihn nur so weit fort, als er ihn beherrschen kann. Mit dem öfteren Zurückrufen bezwecken wir auch noch, dass sich der Hund dennoch vom Meister abhängig fühlt und gehorcht, auch wenn er seine Herde schon ganz ordentlich zu meisten vermag. Gleichzeitig vermeiden wir ein für gutes Treiben hinderliches zu weites Vorgehen an die Spitzt der Herde. Stellt sich eine Kuh zur Wehr, müssen wir dem Hund vielleicht noch ein wenig helfen diesen Sonderfall zu erledigen, da er nie das Gefühl haben darf, die Herde sei ihm überlegen, sondern das Gegenteil!
Erst wenn sich unser Lehrling seiner Sache ganz sicher zeigt, darf er selbständig arbeiten.
Bei dieser letzten Stufe des Abrichtens gelten wieder zwei sehr wichtige Grundsätze:

  • Beim Rückruf darf der Hund nie nur bis auf halbe Strecke zum Meister, sondern er muss unbedingt immer bis zum Fuss kommen. Tut er das, muss er ausgiebig gelobt und gestreichelt werden, wie übrigens immer wenn er etwas gut gemacht hat, damit er Freude daran hat.

  • Wie es sicher einem Jeden beim Lesen des Vorstehenden klar sein wird, darf der Hund nur immer von einem und dem selben Meister zum Treiben gebraucht werden, bis er seine Aufgabe wirklich tadellos bemeistert. Bevor dies der Fall ist, darf er ja nie von Kindern, d. h. führungslos, verwendet werden, da er sich dann rasch schlechte Gewohnheiten aneignet.

Und nun zum Schluss dürfen Sie nie vergessen, dass unsere Appenzeller - besonders Hündinnen - sehr feinfühlig sind, und dass, wenn Sie mit Geduld und Liebe vorgehen der Erfolg nicht ausbleiben wird, mit Gewalt und Härte jedoch kaum etwas erreichen werden!!

Edi Schriber

P. S.
Will das korrekte Stechen gar nicht gelingen, geben wir Ihnen hier noch einen kleinen Trick, der nie versagt:
Zuerst binden wir an den Trainingsrechen oder - Besen ein oder 2 Haarbändel, die wir dann nachher an die Fessel des "Versuchskälblein" binden, so dass der Hund einen guten Anhaltspunkt hat.

 

Viktor von der Gartegg

 

"Viktor von der Gartegg"
- der Legendäre -

Fritz Lüthy auf der Gartegg war nicht nur in Vieh- und Pferdezüchterkreisen eine Schlüsselfigur. Nein, er war auch ein passionierter Appenzellerzüchter. Weit über die Landesgrenzen waren die Gartegghunde ein Begriff. Aber auch dem besten Züchter gelingt nicht immer alles. So ein Sonderfall war der schöne Rüde "Viktor von der Gartegg".
Der kam als kleiner Rüde zu Gerber Fritz nach "Grindlen", Langnau i. E. Gerber Fritz war auch - wie Lüthy Fritz - ein bekannter Pferde- und Viehzüchter. Daher kaufte er den kleinen Viktor, in der Annahme, später einmal einen guten Wächter und Treiber zu besitzen. Dem war aber nicht so. Viktor interessierte sich überhaupt nicht für eine nützliche Beschäftigung. Er war einfach für nichts zu bewegen. Als Fritz Gerber nach langem der Geduldsfaden riss, nahm Fritz Lüthy den unterdessen 10 Monate alten Viktor wieder zurück. Nach etlichem Überlegen kam ich ihm in den Sinn. Ich war ja zur selben Zeit mit dem Jungvieh auf der Gurnigelalp. Fritz Lüthy rief mich an und klagte mir sein Leid in der Hoffnung, dass ich den Hund käuflich übernehmen würde. Als ich anfänglich zögerte einzulenken, bat er mich, den Hund zu übernehmen mit den Worten:" Edi, Du bist der einzige, der bei Viku noch etwas fertig bringt." Nach längerer Diskussion übernahm ich Viku einen Monat auf Probe. Am folgenden Sonntag brachte Fritz Lüthy den Jungrüden auf den Gurnigel.
Ich war mir bewusst, dass sich Viku in der neuen Umgebung erst angewöhnen musste. Allmählich gewöhnte ich ihn an die Herde. Eine Begebenheit, die äusserst vorsichtig gehandhabt werden muss. Der geringste Fehler meinerseits hätte den Lehrling für immer unbrauchbar gemacht. Vor allem war es wichtig, dass ich Viktor vor angreifenden Rindern schützte. Ein Herdenhund - Lehrling darf nie das Gefühl haben, der Herde zu unterliegen.
Trotz meiner langen Erfahrung im Anlernen von jungen Hunden brachte ich Viktor einfach nicht in Schuss. Sogar Gegenstände am Boden nachschleifen oder einem ganz ruhigen Rind bunte Haarbänder an die Fessel binden und das Rind so herumführen, animierte meinen Lehrling zu nichts.

Nebenbei sei erwähnt, dass das betreffende Rind für solche Experimente vorgängig gewöhnt werden muss. Vorsorglicherweise bindet man dem Rind die Hinterbeine bis unter die Sprunggelenke mit alten Wadenbinden ein, um bei evtl. Zupacken vom Treiber - Lehrling das Rind zu schützen. Im weiteren ist die Schlagreaktion des Rindes gegen den Hund etwas geringer, was dem unerfahrenen Lehrling zugute kommt. Nämlich ein Volltreffer von Seiten des Rindes, kann unserem Bläss das Treiben für immer verleiden.

Aber eben, alle diese Übungen führten bei Viku nicht zum gewünschten Ziel. Als langjähriger Senn wusste ich, dass Rinder, die in schwierigem Gelände Mühe haben sich zu befreien, den Hund zu forschem Treiben animieren. Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit versuchte ich beim Viehtreiben, eine solche Situation auszunützen. Ich steuerte in Begleitung von Viktor ein sehr ängstliches Rindli in eine sumpfige Stelle, wo es ziemlich Mühe hatte, sich aus dieser misslichen Lage zu befreien. Mit gestikulierendem Fuchteln mit dem Stecken und lauten Zurufen erreichte ich, dass der Hund endlich meinen Wunsch erfüllte. Viktor rannte bellend hinzu und jagte ziemlich geschickt das Rindli aus dem Sumpf. Nun war das Eis gebrochen! Die weiteren Begebenheiten lagen nun an meiner Geschicklichkeit.
Meine Aufgabe war, ihm die weiteren Grundregeln beizubringen, ohne dass er ausser Kontrolle geriet. Nämlich, Appenzeller, welche erst so spät mit dem Treiben anfangen, werden vielmals so ungestüm, dass sie gerne eigenmächtig werden und im Eifer viele Fehler machen, was der Sache nicht dienlich ist. Dank der enormen Anhänglichkeit liess sich Viktor sehr gut führen und machte in relativ kurzer Zeit ansehnliche Fortschritte, Ich konnte ihn bald einmal über weitere Distanzen schicken, um kleinere Gruppen Vieh an den gewünschten Ort zu bringen. Einen Treiberlehrling an eine ganze Herde zu schicken, wäre unvernünftig. Der Hund würde zu sehr ermüden. Dann würde ihm das ganze verleiden oder er würde flüchtig in der Arbeitsweise. Von einem Tier, welches in der Ausbildung steht, kann man nicht mehr verlangen, als es körperlich und geistig verrichten kann, besonders wie bei Viktor, der ein Spätzünder war. Durch diese sorgfältige Ausbildung machte Viktor immer mehr Freude. Noch mehr beglückte es natürlich Fritz Lüthy. Viktors beträchtliche Fortschritte sind auf seine Apportierfreudigkeit zurückzuführen. Bis im Herbst holte er die ganze Herde von 96 Stück ziemlich selbständig. Ich brauchte nur noch geringe Anweisungen zu erteilen. Wenn er Mühe hatte, die ganze Herde einen Hang hinauf zu treiben, teilte er sie in grössere Gruppen auf und steuerte sie auf ein Bödeli, um die restlichen nachzuholen. Diese Technik erlebte ich auch schon mit anderen Treibhunden. Ganz eigentümlich war sein Gebahren gegenüber schwächeren Schützlingen oder solchen, welche von den anderen verstossen wurden. Auch wenn etwelche Rinder beim Heimtreiben zu den Weidebrunnen hinsteuerten, um den Durst zu löschen, liess er sie immer gewähren. Erst nach dem Trinken jagte er sie den anderen nach.
Als wir im Herbst in den Talbetrieb hinunterzogen, musste Viku sich wieder an eine neue Gegend gewöhnen. Aber nicht nur das - er musste sich auch mit anderen "Bärgfrüehig" - Hunden vertragen, welche den Sommer über auf anderen Alpen als Treibhunde waren. Es waren dies "Sennerin von Kirchdorf", "Trineli vom Seilerhüsli", "Titti vom Seilerhüsli", "Enziane vom Bärgfrüehlig", "Flüehblüemli vom Bärgfrüehlig" und der Rüde "Sieger von der Gartegg", der erst im Lauf des Sommers auf Rämisgummen zügelte. Weil er mit Viktor nicht besonders gut auskam, verkaufte ich ihn nach Speicher, Appenzell, an einen Fontana.
Den Winter über wurden die Bärgfrüehlig - Hunde mit Zugarbeit beschäftigt, was ihnen sichtlich Freude machte. Geschwindigkeiten von 40 und mehr km waren keine Seltenheit. Viktor bekam sofort Freude an dieser Sache und wurde ein begeisterter Zugschüler. Durch seine Gelehrigkeit konnte er bald einmal für die Mehrspänner (4 -5 oder 6 Hunde) als Zugführer herangezogen werden, was ihn von neuem wieder beliebt machte. Im gleichen Winter wurde Viku mit dem Flüehblüemli verpaart. Der Wurf fiel gut aus. Die bekannte Zuchthündin "Helvetia vom Bärgfrüehlig" stammte aus diesem Wurf. Die andern Hündinnen wurden bei anderen guten Rüden gedeckt, wo das alte Bernerblut weiter vererbt wurde.
Nach einem langen Winter kam der lang ersehnte Frühling - die grosse Anzahl Welpen hatten alle einen Platz gefunden. Nebst der fast täglichen Zugarbeit übten sich die Bärgfrüehlig - Hunde wieder vermehrt im Treiben. So Mitte Mai verreisten die ersten Hündinnen an ihren Sommerplatz. Für die junge Hündin "Helvetia" fanden wir einen guten Platz bei Klötzli Hans, Holmühle, welcher in der Nähe des Brienzer Rothorns sömmerte. Bald war auch für mich die Alpzeit angerückt. Viktor kam natürlich wieder mit mir. Da wir zusätzlich eine grössere Gruppe fremder Rinder sömmerten, mussten sich anfänglich Hund und Rinder aneinander gewöhnen, was meist etwas absetzte. Nicht alle Bauern haben zu Hause einen Treibhund, da kann es anfänglich zu aggressiven Auftritten kommen seitens der Rinder. Mit gesenktem Kopf können sich solche Hundefeinde unbarmherzig auf den Hund stürzen. Damit sich der Hund nicht zu sehr in einen Kampf verwickelt, tut man gut, ihn etwas zu unterstützen. Es könnte sonst leicht passieren, dass durch einen solchen Kampf der Hund zu einem sog. Kopftreiber wird, was dem ganzen Treibgeschäft nur schadet. Dank seinem korrekten Stechen, bekam Viktor solche Auseinandersetzungen bald in Griff. Schon in kurzer Zeit hatten diese Hundeteufel den nötigen Respekt vor ihm. Ich möchte niemandem anraten, über eine Alpweide zu spazieren in Begleitung eines Hundes ohne Stecken! Die Begegnung mit einer hundefeindlichen Herde könnte sogar für den Hundebesitzer lebensgefährlich werden, und zwar weil der verängstigte Hund vielmals Deckung beim Besitzer sucht und dadurch seinen Besitzer den angriffslustigen Rindern aussetzt. (Dies nur nebenbei als guter Rat.)

Dass in Viktor grosse Taten schlummerten, hatte ich schon längst bemerkt. Es lag nun an mir, diese Eigenschaften zu wecken und sie im Umgang mit der Herde anzuwenden. Als erstes versuchte ich ihm beizubringen, dass er in der Zeit, in der ich mit der Frau das Morgenessen einnahm, die ganze Herde ganz allein zur Hütte holte. Oder am frühen Morgen die Milchkuh, das sog. Kaffeekühli, zum Melken heimzuholen, und zwar aus der Rinderherde. Der Standplatz der Hütten war über der Waldgrenze und sehr exponiert.
Es kam öfters vor, dass die ganze Herde wegen den Wetterunbilden auf halber Strecke umkehrte. An einem Morgen, als ein fürchterlicher Schneesturm über die Alp brauste, kehrten sie ihm dreimal um, um in den Wald zu flüchten. Aus Mitleid rief und pfiff ich ihn zurück. Als er mich hörte, kam er bis auf 20m zu mir zurück, schaute mich mit verdutzter Miene an, um mir anzudeuten, das schaffe ich schon, und weg war er wieder. Und tatsächlich - nach einer weiteren halben Stunde brachte er ausser Atem die ganze Herde zur Hütte. Wenn man bedenkt, mit was für einem Kraftaufwand Viktor diese Heldentat vollbrachte, ist es nicht verwunderlich, wenn man ein eigenartiges Gefühl um Herz bekommt und einem aus tiefer Dankbarkeit gelegentlich eine Träne über die Backe hinunterrollt. Man wäre sonst ja kein Tierfreund. Immer wenn mein treuer Helfer mit der Herde ganz durchnässt zur Hütte kam, schickte ich ihn sofort zur Frau, damit sie ihn gut abtrocknete und er sich anschliessend hinter dem Warmluftofen wärmen und ausruhen konnte.
Bis zum Herbst lernte er dann das sog. Einstallen, d. h. der Hund hilft einem beim Anbinden der Herde. Er wird zum sog. Platzanweiser. Dass es für diese Arbeit absoluten Gehorsam braucht, ist verständlich. Eine solch Hilfe vom Hund erleichtert einem das Einstallen wesentlich. Durch diese enge Zusammenarbeit lernte Viktor natürlich die meisten Tiere beim Namen kennen. Vermutlich orientierte er sich auch am Ton der Schelle oder Glocke. Ich brachte ihn sogar dazu, einzelne Rinder, welche besonders gut klingende Namen hatten wie Lea, Sonja, Silvia, Lotti, Flocke und Pia, aus der Herde, wenn sie auf dem Hüttenvorplatz warteten, zu holen. Meine Aufgabe war die, dass ich den betreffenden Rindern zurief, um sie auf mich aufmerksam zu machen. Dadurch erleichterte ich dem Hund seine heikle, nicht ganz ungefährliche Arbeit etwas. Dies alles lernte Viktor im 2. Alpsommer.
Ende September 1966 absolvierte Viku seine erste Herdenhundprüfung. Seine Aufgabe war es, die auf einer 50 ha grossen Weide verstreut weidende Herde zusammenzutreiben, um mit ihr zur Hütte zu kommen. Prüfungsrichter waren Fritz Lüthy, Jakob Grossenbacher und Fritz Gerber. Richter und eingeladene Gäste verfolgten von einer übersichtlichen Stelle die Arbeit des Prüflings. Als er mit der ganzen Herde neben uns vorbei dem Stall zustrebte, meinten die Prüfungsrichter, Vikus Arbeit sei beendet. Die staunten nicht wenig, als ich ihnen mitteilte, dass die Feinarbeit erst jetzt folge. Viktor werde ihnen abschliessend zeigen, wie er mit grossem Geschick und präzisem Gehorsam beim Einstallen helfe. Als ich meinem vierbeinigen Freund mitteilte, er solle die vorgängig genannten Rinder aus der Herde holen und er sie geschickt ihren Plätzen zuwies und nachher laufend die restlichen Tiere grüppleinweise in den Stall brachte, so dass ich nur grad anbinden musste, da kollerten den Richtern vor Gerührtheit die Tränen nur so über die Wangen herunter. Fritz Lüthy meinte zu mir: "Edi, ich bin bald ein alter Mann und habe viel erlebt mit Tieren. Aber was Du uns da mit Viku gezeigt hast, das ist einmalig! Eine solche Schau kommt nur zustande, wenn Herde, Hund und Hirt eins sind. Edi, Du bist ein Könner im Umgang mit Tieren." Fritz Gerber, Viktors früherer Besitzer meinte: "Wer hätte das geglaubt, dass aus diesem Träumer einmal ein solcher Treiber würde." Diese anerkennenden Worte von allen Anwesenden machten mich glücklicher als irgendein belohnender Geldbetrag. Mit einem kräftigen Mittagessen und reger Diskussion wurde dieser Tag einer meiner schönsten mit Appenzellern.
Im Talbetrieb lagen die Weiden weite Distanzen vom Stall weg. Zudem mussten ziemlich befahrene Strassen und ein unbewachter Bahnübergang überschritten werden - und das mit einer 50 - 60köpfigen Herde. Auch in dieser Sparte war Viku ein gelehriger und unentbehrlicher Helfer. Ganz alleine kam er hinter der Herde nach und sah zum Rechten. Die Wege zu den Weiden im Tal führten vielmals durch schmale Strassen oder Feldwege. Dadurch verhielt sich Viktor bei seiner Herdenarbeit ziemlich nah an der Herde und überhörte vielmals wegen dem Herdengeläute meine Befehle. Dann versuchte ich, ihm mit Stockzeichen die Befehle zu erteilen. Zum Beispiel: Stock waagerecht hoch halten hiess: warten, Stock nach links hochhalten hiess: links unterjagen, Stock rechts hochhalten hiess: rechts runterjagen, Stock langsam auf - und abschwenken hiess: langsam treiben. Dieses Zeichen war im Herbst sehr wichtig, da immer etliche schwer trächtige Rinder mitmarschierten. Dass man für solche schwierigen Übungen mit dem Hund fast nicht lieb genug sein konnte, sollte jedem Hundeliebhaber einleuchten. Sobald die Weidezeit zur Neige ging und mittlerweilen die Zuchthündinnen von ihren Sommerplätzli zurück waren, beschäftigte ich sie wieder am Wägeli oder am Schlitten. Manchmal auch im Wald zum Holzschleifen (Stangenholz). Da mein Arbeitsplatz ca. 1 km von zu Hause entfernt liegt, liess ich mich auf dem Hundewägeli zum Arbeitsplatz kutschieren und nach der Arbeit wieder nach Hause. So hatten die Bärgfrüehlig - Hunde eine vernünftige Winterbeschäftigung. Die trächtigen Hündinnen wurden bis zur letzten Woche gefahren ohne jeglichen Schaden - natürlich mit gedrosseltem Tempo.

Besondere Episoden mit Viktor
Viktor war ein grosser Kinderfreund. Es kam viel vor, dass Kinder aus der nahen Siedlung zum Spielen kamen. Ein Bauerngut ist immer Anziehungspunkt für spielende Kinder. Sobald Viktor die Kinder erspähte, begrüsste er sie freudig und animierte sie zum Spielen. Öfters holte er einen alten Ball und vergnügte sich so mit den Kindern in herrlicher Weise. Die Kinder nannten ihn nur Y. B - Goali.
Durch seine Treibarbeit wurde Viktor bald einmal bekannt. Demzufolge wurde er öfters als Deckrüde eingesetzt. Bei passenden Verbindungen gab er das Erbgut weiter. Es existieren noch heute gute Zuchthunde, in deren Adern ein Anteil Vikublut fliesst. In seiner ganzen Zuchtkarriere erzeugte er annähernd 200 eingetragene Nachkommen. Ein grosser Teil Viku - Söhne und Töchter verliessen durch Jean Leumann die Landesgrenze. Weil die Bärgfrüehlig - Hunde den Sommer abwesend waren, spielte sich das ganze Zuchtgeschäft in den Wintermonaten ab. Wie schon erwähnt, zog Viku jeweils mit uns auf den Gurnigel als unentbehrlicher Helfer. Im Sommer 1968 erkrankte ein fremdes Rindli an roter Ruhr (starker Durchfall mit Blut vermischt, lebensgefährlich). Die vom Arzt verschriebenen Medikamente nützten nichts, so dass ich das Tier dem Eigentümer zur intensiveren Behandlung nach Hause schickte. Nach 4 Wochen kam das Rindli einigermassen geheilt auf die Alp zurück. Am selben Tag musste ich auf die Nachbaralp, um den Zuchtrüden von Hans Spring, "Beat von St. Johannsen" - ebenfalls ein Viktor - Sohn - zu prüfen. Dadurch musste die Frau mit einem Patienten der Waldau das angemeldete Tier an der Passstrasse abholen. Am selben Tag liessen wir die Herde draussen. Der Hund kam an diesem Tag mit der Herde gar nicht in Berührung. Am anderen Morgen, als ich ihn schickte, die Rinderschar zur Hütte zu holen, steuerte er mit hochgehobener Nase direkt auf das zurückgekehrte Rind zu, und wollte es mit aller Gewalt aus der Weide jagen. Ich musste ihm auf dem schnellsten Weg weismachen, dass dieses Rindli jetzt halt wieder zu uns gehöre. Erst im Stall merkte ich, dass das zurückgekehrte Tier einen anderen Körpergeruch an sich hatte und der Hund dadurch der Meinung war, es gehöre nicht zu uns.
An einem schönen Septembertag, am Mittag - wir wollten das Mittagessen einnehmen - sagte die Frau zu mir: "Schau einmal auf die Berhausweide hinauf." Und tatsächlich kam eine 150köpfige Viehherde durch unseren Weidegang hinunter und mischte sich mit unseren Rindern, welche auf dieser Weide weideten. Das gab ein fürchterliches Durcheinander, verbunden mit einer richtigen Stecherei. Ich ging eilends hinaus, um zum Rechten zu sehen. Als erstes entschuldigten sich die Begleiter der fremden Herde für dieses ungewollte Missgeschick. Sie frugen mich: "Was machen wir jetzt? Die sind doch fast nicht mehr auseinander zu bringen." Ich lachte nur und sagte zu ihnen: "Setzt euch an den Wegrand und packt eure Rucksäcke aus, ihr habt sowieso Hunger. Der Hund wird dann die Herde schon auseinander bringen." Einer der Begleiter meinte zum andern: "Das ist noch ein Humorist. Dem ist's noch ums Lachen, und der Hund wird unmöglich diese zwei Herden auseinanderbringen." Es merkte keiner, dass ich die zwei Herden scharf im Auge hatte, um im gegebenen Moment einzuschreiten und dem Hund das Trennen zu erleichtern. Nach ca. 30 Minuten war der Moment gekommen, wo sich die beiden Herden leicht zu trennen begannen und Viku fähig war, die beiden Gruppen gänzlich zu trennen. Ich schickte die Begleiter alle zum unteren Ausgang um ja keines meiner Rinder durchzulassen. Nun gab ich Viktor Startbefehl, die beiden Gruppen endgültig voneinander zu bringen, um anschliessend die fremden Tiere dem Weideausgang hinunter zu treiben. Dieses Unterfangen dauerte nicht länger als 20 Minuten. Als Belohnung bekam ich von einem Begleiter 100,-- FR. Vermutlich brachte Viktor dank seinem feinen Geruchssinn die beiden Gruppen so schnell auseinander, da ja jede Alp eine andere Grasnarbe hat und die Tiere daher einen anderen Körpergeruch haben.
Eine eigenartige Technik hatte er, wenn im Talbetrieb gelegentlich die ganze Herde durchbrannte. Da holte er sie ein, umkreiste sie in einem Höllentempo und brachte sie so zum Stillstehen, um sie von der Seite her wieder in die gewünschte Richtung zu steuern.
Eine ganz eigenartige Meinung hatte er schon. In solchen Situationen wurde er ganz böse, wenn man ihm helfen wollte. Er wollte der Lage einfach selbst Meister werden. Das erfuhr einst an einem Sonntagmorgen ein älterer Herr aus Ostermundigen. Wir hatten jahrelang das Weiderecht auf der kleinen Berner Allmend. Aus irgend einem Grund durchbrachen die weidenden Rinder den Elektrozaun und pilgerten dem sog. Schwermenweg Richtung Gasthof Bären zu, um auf dem Bärenmätteli, dem heutigen Parkplatz, weiter zu weiden. Wir bekamen sofort Alarm von den Anwohnern . Ich fuhr mit Velo und Viktor zur kleinen Allmend, gab dem Hund Weisung, die Rinder zu suchen und zurückzubringen. Viktor schoss mit der Nase auf der Spur Richtung Bären los und brachte die Rinder in kurzer Zeit auf die Allmend zurück. Ich verweilte noch einige Zeit auf der Allmend, bis sich meine Schützlinge etwas beruhigt hatten. Auf einmal kam der vorgängig erwähnte Herr daher mit nicht freundlicher Miene, nämlich das eine Hosenbein war in 2 Teile aufgeschlitzt. Auf meine Frage hin, was denn passiert sei, erzählte er mir, er habe aus Gutmeinen dem Hund helfen wollen. Auf einmal, als er ein Rind zurückwehren wollte, kam der Hund in höllischem Tempo, schlitzte mir die Hose auf, und jagte das Rind selber zur Herde. Ich erklärte ihm, dass man Viktor in solcher Lage nie helfen dürfe, schon gar nicht fremde Personen. Da werde er richtig böse und packe halt einmal zu. Das war nicht das einzige Mal, dass ich zerrissene Hosen vergüten musste wegen einer solchen Episode.

Dieses Schriftstück wäre unvollständig, wenn meine Exfrau Gertrud nicht ihren Beitrag beigesteuert hätte. In verdankenswerter Weise schildert sie das Zusammenleben mit Viku aus der Sicht einer Sennerin und Hausfrau. Wenn die eine oder andere Begebenheit fast unglaubwürdig scheint, möchte ich daran erinnern, dass solche einmalige Leistungen nur auf einer Alp in ganz enger Beziehung von Mensch und Tier entstehen können.
Ich bin glücklich, dass mit der Umgang und die Liebe zur Kreatur in die Wiege gelegt wurde. Das ist der Grundstock, um ein Tier zu solchen enormen Leistungen zu animieren.

Autor: Eduard Schriber, Gerzensee/CH

 

Appenzeller = Kläffer ?

 

Unser Appenzeller - ein Kläffer??

Liebe Frau B.,
mit Ihrem Beitrag betreffend kläffende Appenzeller, sprechen Sie mir ganz gross ans Herz.
Schon seit Jahrzehnten ist der Appenzeller der ausgesprochene Wach - und Treibhund. Weder als Hüter des Hofes noch als Treiber kann man einen stummen Hund brauchen. Also wird noch heute vom Bläss eine Bellfreudigkeit verlangt. Ein stummer Treiber kann eine andächtig weidende Herde erschrecken, so dass daraus auch Frühgeburten entstehen könnten. Schon früher wurde vom Appenzeller eine Lauffreude verlangt, damit er auf den langen Alpfahrten die Strapazen aushielt. Die damaligen Alpfahrten dauerten nicht selten 8 - 10 Stunden. Die längste, die mir bekannt ist, betrug eine reine Marschzeit von 16 Stunden in 2 Tagen. Das war ein Wander - Chüjer, der mit seiner 50köpfigen Herde von Aeschi ob Spiez nach Abländischen / FR zügelte. Am ersten Tag bis Boltigen i. S. und am zweiten Tag über den Jaunpass dem Ziel entgegen 80km. Im Herbst den gleichen Weg zurück. Den ganzen Marsch machte natürlich der Bläss zu Fuss mit. Die schweren Kühe wurden für solche Riesenmärsche auf den Vorderklauen beschlagen. Damit es keine Geburtsschwierigkeiten gab, kamen die Kälber erst in den Wintermonaten auf die Welt. Die Kühe gaben dadurch im nächsten Sommer auch mehr Milch zum Herstellen von würzigem Alpkäse. Die Hunde wurden unterwegs mit Milch, verdünnt mit Zuckerwasser, gefüttert, damit sie nicht allzu sehr heiser wurden.
Schon die weitsichtigen Gründungsmitglieder unseres Clubs für Appenzeller verpflichteten sich, einen vorzüglichen Leistungshund zu züchten, welcher der Nachfrage genügte.
Heute lebt ein Teil dieser urchigen Chüjerhunde auf engem Raum im Privathaus und kleinem Umschwung. Dazu soll er noch seine jahrelangen, brauchbaren Eigenschaften unterdrücken. Sicher kann so ein Bläss durch korrekte Haltung ein angenehmer Hauskamerad werden und sehr viel Freude bereiten, wie wir es mit unseren drei Hunden täglich erleben dürfen. Eines ist sicher, der Bläss, welcher im Privathaus wohnt, braucht besonders aufmerksame, liebevolle, jedoch im nötigen Moment die bestimmte Erziehung. Auf Grobheiten oder sogar Schläge reagiert er ganz empfindlich. Scheuheit, Bösartigkeit und grosses Misstrauen kann die Folge grober Begegnungen sein. So, nun zu den einzelnen Klagen, die Sie aufgeführt haben.
Wenn ein Appenzeller den ganzen Tag kläfft, so stimmt mit seinem Wesen etwas nicht ganz, oder der Besitzer begeht einen groben Fehler. Nämlich: bei korrekter Haltung kläfft kein normal veranlagter Bläss den ganzen Tag.
Da ist es ja klar, dass ein solcher Kläffer die nachbarlichen Beziehungen nicht beglückt.
Das Haus ist doch kein Vita - Parcours. Das leuchtet doch ein, wenn auf diesem engen Raum ausserordentliche Bewegungen gemacht werden, dass das den Hund in Aufregung versetzt.
Auf Jogger sind nicht nur Appenzeller aufsässig, das machen andere Hunde auch. Unser Bläss treibt auch zweibeinige Kühe, wenn die vierbeinigen fehlen. Da braucht es halt im richtigen Moment ein energisches Wort, um ihn zur Vernunft zu bringen. Der Hund gehört in solchen Situationen an die Leine oder sonst in Gewahrsamkeit.
Das Schlitteln ist gerade die Sportart, bei der sich unser Bläss am wenigsten stumm verhalten kann. Meistens wird sitzend auf dem Schlitten gefahren. Die Beine haben beidseitig vom Schlitten die Aufgabe, das Fahrzeug in die gewünschte Richtung zu weisen. Die Füsse sind während der Fahrt dauernd in Bewegung. Zudem wird noch etwas Schnee aufgewirbelt, das versetzt unseren Bläss sofort in Treibaktion. So eine Schlittelfahrt ist sowieso eine fröhliche Angelegenheit, bei der viel gelacht und gescherzt wird. Da möchte der vierbeinige Begleiter im Mittelpunkt sein.

Alle Ihre aufgeführten Punkte sind Begebenheiten, die in unserem Bläss die jahrelang angezüchtete Treibaktion in hohem Masse erweckt. Wenn wir nicht einen lästigen Kläffer haben wollen, muss sich dessen Besitzer an folgende Punkte halten:
Haus und Garten in einem Wohngebiet ist als Spielplatz ungeeignet. Ferner ist der junge Appenzeller kein Spielzeug für kleine Kinder. Mit ihrer Unvernunft erziehen sie den jungen Hund direkt zum Kläffen.
Ausgedehnte Spaziergänge durch Wald und Flur erfreuen den lauffreudigen Hund in hohem Masse. Sein Riechwerkzeug tritt dann so richtig in Aktion zur Geruchaufnahme. Unser Bläss kann auf diese Weise feststellen, ob seine Freundin, Freund oder Erzfeind am selben Tag die gleiche Strecke schon passiert hat. Nach diesen langen Spaziergängen ist er meist im Haus über längere Zeit ruhig.
Ein weiteres Privileg liegt bei uns Züchtern. Wir müssen darauf achten, dass nicht gerade das grösste Quecksilber der jungen Butzeli in ein Privathaus kommt. So von der 6. - 7. Woche an sieht man gut, welche Welpen sich etwas ruhiger verhalten. Ein pflichtbewusster Züchter muss auch den Mut haben, einen ungeeigneten Kaufinteressenten von einem Kauf abzuhalten. Wenn unglückliche Käufe getätigt werden, so kommt nie eine Harmonie zustande. Nervöse, ängstliche oder komplizierte Menschen haben die Kraft nicht, einen Appenzeller zu betreuen; sie machen dem Züchter zudem nur schlechte Referenzen.
Um einen lästigen Beller etwas im gewünschten Rahmen zu halten, fertigt man ihm aus Storengurten oder Leder ein Hälfterli zurecht. Das Nasenband möglichst eng, um ihn am Bellen zu hindern. Diese Hälfterli können Wunder wirken.
Was der Appenzeller gerne macht ist Wägeli ziehen. Hunderassen, die den lateralen Typen angehören, ziehen nämlich das zehnfache ihres Körpergewichtes, das Pferd nur das siebenfache!

Liebe Frau B., diese Zeilen stammen hauptsächlich aus jahrelanger Erfahrung und Beobachtungen. Ich hoffe, auf diese Weise mit etlichen brauchbaren Ratschlägen Ihnen zu dienen. Sie dürfen mir herzhaft berichten, aus welchen Motiven Ihre Rös viel Lärm macht. Vielleicht können wir das Problem zusammen lösen. Ich weiss, es ist nicht angenehm, auf engem Raum mit diesen Störungen zu leben. Aber irgend ein Grund muss vorhanden sein, dass solche Gebaren auftauchen. Ich möchte Ihnen nur sagen: Nie den Mut sinken lassen. Sonst lesen Sie hie und da den letzten Satz im erschienenen Bulletin aus meiner Erzählung, Frau B., der sagt alles.
Ich habe nämlich mit Jutzeli und Dursli die Bärgfüehlig - Zucht das fünfte Mal neu angefangen. Da braucht es grosse Liebe zur Rasse. Aber es sind goldene Kerle, unsere Blässe.
Mit freundlichem Züchtergruss,

Edi Schriber
23. November 1987

 

 

Die Texte wurden original aus der Website von Ursula Spiess übernommen, die leider im Juli 2020 verstorben ist, in der Hoffnung sie so noch eine Zeitlang für die Nachwelt erhalten zu können.

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